Samstag, 29. Dezember 2007

Die Ära NORDSTERN

NORDSTERN Anfang der 50er Jahre am Uferstrand der Weser bei Elsfleth


Die Schiffsgeschichte von ca. 1930 bis hin zum Jahr 1947 lässt sich leider bislang nur lückenhaft dokumentieren. Über die Nutzung des Schiffes in diesem Zeitraum können wir nur Vermutungen anstellen. Eine Neuvermessung in Holland im Jahr 1936 deutet darauf hin, dass das Schiff zu diesem Zeitpunkt bereits außer Fahrt war und evtl. als Wohnschiff diente.
Unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg soll die Tjalk nach Angaben vom späteren Eigentümer Herrn Ahlers zunächst bei einer Werft in Groningen gelegen haben, wo sie als Wohnunterkunft für Schifferfamilien diente, deren Schiffe auf der Werft umgebaut wurden. Möglicherweise war der Rumpf hier bereits baulich verändert und der Laderaum als Wohnraum gestaltet. Doch auch wenn sich noch heute auf Höhe des Mastkokers ca. 30 cm über der Wasserlinie beidseitig später wieder verschlossene Bullaugenöffnungen zeigen, sind dies nur Vermutungen.
Belegt ist hingegegen das Folgende: Im Krieg wurde die DORIS von der Deutschen Kriegsmarine mit Beutegut nach Brake geschleppt. Sicherlich war das Schiff zuvor in den Niederlanden beschlagnahmt worden.
Direkt nach dem Krieg kaufte Herr Heinrich Klokgether aus Oldenburg die Tjalk von der Militärregierungs- Abwicklungsstelle Wesermarsch. Das Schiff wurde im südwestlich von Oldenburg am Küstenkanal gelegenen Friesoythe unter der Kennung BSR (Binnenschiffsregister) 286 als Motorfrachtschiff NORDSTERN eingetragen. Erstmals wurde das Schiff mit einem Motor ausgestattet. Der 1-Zylinder Glühkopf hatte eine Leistung von 8PS bei einer Drehzahl von 700 Umdrehungen pro Minute. Ein Rigg war wahrscheinlich nicht mehr vorhanden.
Der Eigentümer soll das Schiff einige Zeit in Emden als Wohnschiff genutzt haben.
1947 erwarb Schiffer Enno Ahlers aus dem ebenfalls am Küstenkanal gelegenen Friederichsfehn die NORDSTERN Das Schiff wurde nun unter BSR 827 vom Amtsgericht Emden im Binnenschiffsregister geführt und transportierte hauptsächlich Baumaterialien und Torf auf den kleinen Kanälen zwischen Weser und Ems. 1982 besuchte uns Herr Ahlers auf der gerade wieder restauriert zu Wasser gelassenen DORIS.
Schon 1951 wechselte erneut der Besitzer des Schiffes. Neuer Eigner wurde nun der Dachdeckermeister Albert Heidenreich aus Deichstücken bei Elsfleth, der das Schiff unter BSR 2760 in Bremen eintragen ließ. Er gebrauchte die weiterhin NORDSTERN genannte Tjalk nun zum Transport von Reet, das er an den Ufern der Unterweser und ihren Nebenarmen schnitt und zum Dachdecken verwendete.
Eine Leckage sollte im Jahr 1963 das Ende der Frachtfahrt- Geschichte des Schiffes besiegeln. In einem Seitenarm der Weser wurde die Tjalk auf Grund gesetzt und nicht wieder repariert, so dass sie dauerhaft im Schlick lag und bei Hochwasser überflutet wurde.

Mitte der 60er Jahre fand Herr Alexander Petöfi aus Bremen-Schönebeck das Wrack und entwickelte die Idee, daraus ein Jugendschiff für die Stadt Bremen zu machen. Er erwarb und hob den Rumpf, den er daraufhin in den Weser-Nebenfluss Lesum bei Bremen verholte.
Das nördliche Lesumufer ungefähr auf Höhe des heutigen Sperrwerks war nun die nächsten zehn Jahre der feste Liegeplatz des nach wie vor als NORDSTERN in Bremen geführten Schiffes. Herr Petöfi konnte in all den Jahren sein Vorhaben nicht verwirklichen. Zunächst hatte er einen alten Omnibus organisiert und diesen nach Entfernen des Fahrwerks komplett mit allen Einbauten wie Sitzen, Tachometer und Lenkrad als Aufbau auf das Schiff geschweißt. Weiter wurde der Rumpf durch eine am Heck angebrachte frei schwebende Veranda mit Geländer vergrößert. Danach jedoch verkam das Schiff zunehmend, sprang einige Male Leck, lief voll Wasser und wurde nur noch als Abstellplatz für weiteres Baumaterial gebraucht.
Dieser traurige Zustand war das Ende der Ära Nordstern, doch zugleich auch der Anfang der Geschichte der DORIS VON OCHTUM.
Vielen älteren Bremer Wassersportlern aus der Lesum dürfte das heruntergekommen Schiff besonders wegen des Aufbaus vielleicht noch in Erinnerung sein. Sollten weitere Fotos davon existieren, bitte meldet Euch...